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Nachschub in Pillenform - Der Einfluss von Nahrungsergänzung auf die Haut

 

Das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln boomt - nicht nur in der Apotheke. Organische Defizite sollen z. B. ausgeglichen, der Körper entsäuert oder die Haut von Falten befreit werden. Welche Versprechungen sind realistisch?

 

Die Klassiker unter den Nahrungsergänzungsmitteln sind Vitamine, Mineralien und Spurenelemente. Nahrungsergänzungsmittel unterliegen der Lebensmittelgesetzgebung, dienen der Gesundheit, dürfen aber keinen therapeutischen Nutzen erfüllen. Es hat sich herumgesprochen, dass bei ausgeglichener Ernährung - inklusive Obst und Gemüse - Defizite an essenziellen Stoffen - das sind Stoffe, die der Körper nicht selbst bereitstellen kann - so gut wie nie auftreten. Das belegen Studien. Es gibt außerdem Stoffe, die in hohen Dosen konsumiert kontraproduktiv wirken können. Während es für die meisten Nahrungsergänzungsmittel keine Belege für eine höhere Lebenserwartung gibt, wird diese bei Carotinoiden - Carotin und Vitamin A - bei regelmäßiger Einnahme sogar tendenziell verkürzt.
Warum also nimmt der Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln immer weiter zu, wenn der Nutzen fraglich ist? Und warum gibt es immer neue Substanzen, die angeblich körperlich defizitär sind oder es mit zunehmendem Alter werden? Verbessern sie tatsächlich das Wohlbefinden; und welche davon haben einen Einfluss auf die Haut?
Wie in anderen Lebensbereichen hat die Psyche einen großen Einfluss auf unser Kaufverhalten. Allein durch das Bewusstsein, die eigene Gesundheit aktiv zu fördern, geht es uns spürbar besser. Insofern kann eine Steigerung der Lebensqualität auch durch einen Placebo-Effekt stattfinden. Somit hätten Placebos durchaus einen Sinn.

Angst vor Mangelerscheinungen

Allerdings kann mit dem Placebo-Effekt keine wirksame Werbung gemacht werden. Dementsprechend stellt man gerne die wissenschaftlich belegten Auswirkungen von Mangelsituationen heraus. Darüber hinaus werden Nahrungsergänzungsmittel durch die Registrierung im System der Pharmazentralnummern (PZN) aufgewertet. Die PZN ist jedoch - was der Verbraucher in der Regel nicht weiß - nur ein Identifikationsschlüssel im Warenwirtschaftssystem der Apotheken und mit keinerlei Produkteigenschaften verbunden.
Es ist eine alte Weisheit, dass die Nahrung einen großen Einfluss auf unser Hautbild hat. Schon bei einem reduzierten Konsum von Trinkwasser nimmt die Faltigkeit der Haut zu - verstärkt mit fortschreitendem Alter. Die vermehrte Flüssigkeit reicht allerdings nicht aus, um die Falten zu beeinflussen. Mineralstofffreies Wasser in der täglich empfohlenen Menge von mindestens zwei Litern wäre sogar kontraproduktiv, wenn man den Mineralien-Haushalt nicht durch andere Lebensmittel ausgleicht, da die Niere mit dem Urin ständig Salze ausscheidet.
Nun gibt es verschiedene Theorien, dass sich Lebensmittel wie Süßigkeiten, Milch, spezielle tierische Fette oder ein ungünstiges Verhältnis von essenziellen Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren negativ auswirken, z. B. in Form einer "Übersäuerung" des Körpers, Pusteln, verstärkter Akne, Barrierestörungen oder einer veränderten Anfälligkeit gegen Mikroorganismen. Mal abgesehen davon, ob diese Theorien tatsächlich die Wirklichkeit abbilden, könnte man den Stoffwechsel durch entsprechende Wahl der Nahrungsquellen optimieren. Wenn man bei den Beispielen bleibt, wären dies Zuckerersatzstoffe, Joghurt, vegane Ernährung, Leinöl und eine säurearme Ernährung. Weitaus häufiger werden aber die alten Essgewohnheiten beibehalten und die Nahrungsergänzungsmittel sozusagen als Pille danach benutzt. Das ist ebenso wenig sinnvoll wie mit vielen Vitaminen die Raucherhaut in den Griff bekommen zu wollen. An dieser Stelle hat nur das minimalistische Prinzip Aussicht auf Erfolg - nämlich konsequent das Rauchen zu beenden bzw. andere Dinge wie Süßigkeiten zu reduzieren.

Störende Stoffwechselprodukte

In Ergänzung zu der seit Jahrzehnten kursierenden Vorstellung von der Ablagerung von Schlackenstoffen/Giftstoffen im Körper und der Haut ist derzeit - befeuert durch Dieseldiskussion und Stickstoffradikale - die Schädlichkeit von Stoffen aus Industrie und Umwelt ("Pollution") und ihre Wirkung auf Organismus und Haut im Gespräch. Sie lagern sich angeblich auch in Haut und Haaren ab. Rezepte, wie man sich gegen diese und andere Stoffe schützt und wie man "Schlackenstoffe" wieder los bekommt, gibt es viele. Das Spektrum reicht von basischer Ernährung (Säuren), über Fasten (Fettstoffe) und Sauna (Stoffwechselreste) bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln, die Schwermetalle oder antioxidativ Radikale eliminieren. Bei näherer Betrachtung wird man feststellen, dass zum einen die schädlichen Stoffe meist nicht genau definiert sind, und andererseits keine belastbaren Nachweise für die tatsächliche Entfernung derselben existieren. Der Körper entfernt sie im Übrigen geräuschlos durch oxidative Prozesse und anschließende Glucuronidierung über Niere und Urin.
Aber es gibt Ausnahmen wie etwa Altersflecken, die endogene Stoffwechselprodukte aus oxidierten Proteinen und Lipiden (Lipofuszin) oder Proteinen und Zuckern (Advanced Glycation Endproducts; kurz AGE) enthalten. Sie lassen sich nur durch Laser, spezielle Peelings oder ähnliche Maßnahmen entfernen. Auch inerte lipidlösliche Stoffe wie polycyclische Aromaten (PCA) oder Chloraromaten, die im Fettgewebe deponiert werden, bauen sich nur langsam ab und werden bei Fastenaktionen eher konzentriert als eliminiert. Hinsichtlich der Antioxidantien, die gegen Radikale von innen und außen wirksam sein sollen, ist zu beachten, dass sie sowohl oral als auch topisch im Übermaß und je nach Rahmenbedingungen, beispielsweise bei Chemotherapien, bei Sportlern und der Prävention von Diabetes kontraproduktiv sein können. Als Nahrungsergänzungsmittel haben sie auf die Haut keinen sichtbaren Einfluss.
Es erscheint zunächst reizvoll, spezielle Wirkstoffe, die auch in der Hautpflege eingesetzt werden, oral zu verabreichen, da die Resorption über den Magen-Darm-Trakt wesentlich effektiver als über die schwer überwindbare Hautbarriere ist - auch wenn man spezielle Penetrationsverstärker verwendet. Der guten Resorption steht jedoch der Nachteil der Verteilung im gesamten Körper und der damit verbundenen Verdünnung entgegen.

Zuviel des Guten?

Bei topischer Anwendung kann lokal gezielt mit hohen Dosierungen gearbeitet werden. Mit Ausnahme der zu vermeidenden lokalen Überpflegung ist die Gefahr einer systemischen Wirkung bei topischer Anwendung zu vernachlässigen. Dahingegen muss insbesondere bei physiologisch relevanten Schwermetallen wie Zink und Kupfer oral auf das Verhältnis untereinander geachtet werden. Störungen in der Relation beider Metalle findet man bei rheumatischen Erkrankungen. Ergänzend ist zu erwähnen, dass hohe Eisen-Dosierungen den Zink-Stoffwechsel beeinträchtigen.
Interessant sind Isoflavone (Phytohormone) für Körper und Haut rund um die Menopause und bei Hormonschwankungen. Isoflavone sind oft täglicher Bestandteil der Ernährung in asiatischen Ländern und mindern offensichtlich die Symptome der Wechseljahre. Sie werden über Soja-Produkte aufgenommen. Isoflavone stimulieren unter anderem die Collagensynthese und verzögern den Collagenabbau. Ein echtes orales Supplement ist Vitamin D, wenn die körperliche Synthese in der Haut durch UV-Filter und Sonnenabstinenz verhindert wird. Das Vitamin ist für den störungsfreien Stoffwechsel essenziell, wirkt sich aber nicht direkt auf das Aussehen der Haut aus.
Bei essenziellen Fettsäuren ist zu beachten, dass sie oral und topisch unterschiedlich verstoffwechselt werden. Unter topischer Anwendung findet der Einbau von Linolsäure in das Barriere-aktive Ceramid I statt. Parallel entstehen entzündungshemmende Reaktionsprodukte durch die 15-Lipoxygenase-Einwirkung. Oral bilden sich dagegen in der Leberpassage Arachidonsäure (Omega-6) und bedingt Eicosapentaensäure (Omega-3), deren vielfältige Vorläufer und Metaboliten in Regelkreise eingebunden sind und unter anderem in lokale Hormone, wie z. B. Prostaglandine, umgewandelt werden. Eicosapentaensäure ist Bestandteil von Fischölkapseln. Alpha-Linolensäure, ebenfalls Omega-3, kommt in Lein- und Kiwikernöl vor. Die orale Verabreichung ist dann von Vorteil, wenn es sich um komplex zusammengesetzte Präparate natürlicher Herkunft handelt, wie z. B. Hefe, deren Gehalt an B-Vitaminen auch für die Haut von Interesse ist. Nicht selten wirken dabei Stoffe synergistisch, die für sich alleine mehr oder weniger wirkungslos sind. Auch das Darm-Mikrobiom kommt mit natürlichen Zusammensetzungen besser zurecht als mit reinen, zum Teil überdosierten Chemikalien, die zu Ungleichgewichten führen können. Dies erklärt auch den Erfolg probiotischer Lebensmittel, die letztendlich über ein gut funktionierendes Verdauungsmikrobiom der Haut zugutekommen. Umgekehrt ist eine gestörte Verdauung bekanntlich kontraproduktiv für die Haut. Im Übrigen erzeugt die Darmflora auch essenzielle Stoffe wie das Vitamin K.

Unterstützend für die Haut

Ein Argument für den Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln ist die Prävention für den Fall eines eventuellen Mangels. Da der Körper die meisten lebenswichtigen Stoffe jedoch für eine gewisse Zeit bevorratet, treten Symptome einer Unterversorgung nicht ein, selbst wenn tagelang auf Obst und Gemüse verzichtet wird. Andererseits wirkt sich der fortgesetzte Verzehr von Karotten auf den Teint der Haut aus. Er wird dunkler und erzeugt sogar einen geringen Sonnenschutz. Dies gilt selbstverständlich auch für die Carotin-Pille. Das in Rotwein reichlich vorkommende Resveratrol, ein antioxidatives Polyphenol mit trans-Stilben-Struktur, hat dagegen keinen messbaren Einfluss auf die Haut. Es wird ähnlich wie die ebenfalls im Rotwein enthaltenen oligomeren Proanthocyanidine (OPC) in Hautpflegemitteln als Antioxidans propagiert. Auch Coenzym Q10 ist wohl eher für die äußerliche Behandlung geeignet.
Die polymere Hyaluronsäure wird unabhängig von ihrer Molmasse vor der Resorption in ihre Einzelbestandteile zerlegt, von denen N-Acetyl-Glucosamin bzw. Glucosamin die wichtigsten sind. Eine Wirkung auf die Neusynthese der den Turgor der Haut bestimmenden Hyaluronsäure dürfte bei oraler Applikation eher vernachlässigbar sein, während Hinweise auf diesen Effekt bei topischer Penetration vorliegen. Ein Abbau niedermolekularer Hyaluronsäure zu N-Acetyl-Glucosamin durch das Haut-Mikrobiom kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Ähnliche Mechanismen kann man bei Kollagen-Präparaten vermuten. Kollagen-Drinks dürften bei ausgewogener Ernährung mit entsprechendem Fleischanteil als Aminosäure-Lieferant kaum Wirkung zeigen. Die als Beweis angeführten Studien geben leider keine Auskunft, wie viel Probanden sich vorher fleischlos, fleischarm, vor allem wurstfrei ernährt haben. Ihr Anteil liegt in der deutschen Bevölkerung mittlerweile im höheren zweistelligen Prozentbereich und hat dementsprechend einen signifikanten Einfluss auf die Studienergebnisse.
Ein anderer peptidisch aufgebauter Stoff ist das Bromelain, ein Enzym, das in der Ananas vorkommt und in der Kosmetik für Enzympeelings genutzt wird. Bruchstücke des Enzyms gelangen nach Einnahme von magensaftresistenten Tabletten bis in den Nasenbereich und können dort Schwellungen reduzieren. Ähnlich kann man bei der Langzeiteinnahme von Blütenpollen eine allmähliche Desensibilisierung gegen Heuschnupfen und allergisches Asthma feststellen. Ob dabei auch eine Minderung der Empfindlichkeit der Haut gegenüber Allergenen stattfindet, wäre spannend herauszufinden.

Rolle der Aminosäuren

Unter den Aminosäuren sind noch das Kreatin und das L-Carnitin zu erwähnen. Sie spielen im Stoffwechsel der Muskeln bzw. beim Fettabbau eine Rolle. Eine Wirkung auf die Haut ist nicht festzustellen. Auch das in der dermatologischen Kosmetik multifunktionell wirksame Phosphatidylcholin, ein Bestandteil des Lecithins, hat als Nahrungsergänzungsmittel so gut wie keinen Einfluss auf die Haut - mit Ausnahme der protektiven Wirkung auf die Magenschleimhaut, z. B. in Kombination mit der Einnahme von nichtsteriodalen Entzündungshemmern (NSAID).
Es werden ständig neue Studien mit Laborwerten publiziert, die einen Mangel an einem körpereigenen Stoff andeuten, den man durch entsprechende Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen kann. Dabei wird häufig von in-vitro auf in-vivo extrapoliert oder die Tatsache ausgeblendet, dass es nicht Ziel sein kann, Laborwerte zu "normalisieren", wenn man nicht weiß, ob sie für das Wohlbefinden relevant sind. Studien sollte man daher immer kritisch prüfen.


Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2019 (6), 124-127

 
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