Terpene sind Naturstoffe par excellence und ein Beleg für den gemeinsamen Ursprung von pflanzlichem, tierischem und mikrobiellem Leben. Sie treten vielfältig in Erscheinung - von leichtflüchtigen Duft- und Gewürzstoffen über Gerüstsubstanzen der Zellen bis hin zu Hormonen und Vitaminen. Die Natur bevorzugt einen modularen Aufbau. Bei den Terpenen wird dies besonders deutlich. Denn allen gemeinsam ist ein verzweigter Kohlenwasserstoff, das Isopren, bestehend aus 5 C-Atomen. Aus der Kombination von zwei Isopren-Einheiten resultieren die Monoterpene mit insgesamt 10 C-Atomen. Analog lässt sich die Reihe fortführen: Diterpene weisen 20, Triterpene 30, und Tetraterpene 40 C-Atome auf. Aus der Aneinandererreihung vieler 10 C-Einheiten entstehen natürliche Polyterpene wie beispielsweise Kautschuk und Guttapercha, die als Gummi und Naturplastik Verwendung finden. Eine weitere wichtige Gruppe sind die Sesquiterpene (10 C + 5 C = 15 C). Durch Funktionalisierung der Terpengrundkörper entstehen Alkohole, Aldehyde, Ketone, Ether und Säuren sowie deren Ester und, nicht zu vergessen, auch eine Vielzahl von cyclischen Verbindungen - unter anderem Steroide, über die in Kosmetische Praxis 2010 (1), 10-13 berichtet wurde.
Prominent & wichtig
Geraniol (Monoterpenalkohol): entsteht im menschlichen Körper aus aktivierter Essigsäure, ist dort an Phosphorsäure gebunden und kann daher keinen "Duft" entfalten. Freies Geraniol kommt beispielsweise im Öl der Geranie und im Rosenöl vor. Es ist ein häufiger Bestandteil blumiger Parfüms.
Farnesol (Sesquiterpenalkohol): wird im Körper aus Geraniol gebildet und liegt ebenso in gebundener Form vor. Lindenblüten und Rosenöl enthalten freies Farnesol, das nicht nur duftet, sondern auch antibakteriell wirksam ist.
Squalen (Triterpen): ist als flüssiger, ungesättigter Kohlenwasserstoff einer der Hauptbestandteile des menschlichen Sebums und wird durch die Talgdrüsen ausgeschieden. Es eignet sich als fettender Inhaltsstoff in Hautpflegemitteln. Man gewinnt Squalen zu diesem Zweck aus Hefe. Allerdings setzt man es wegen seiner Empfindlichkeit gegenüber atmosphärischem Sauerstoff meist in hydrierter (gesättigter) Form ein. Es trägt dann den Namen Squalan.
Lanosterin (tetracyclischer Triterpenalkohol): wird als zentrales Zwischenprodukt in allen mit Zellkernen und Zellmembranen ausgestatteten Lebensformen (Eukarionten) aus Squalen biosynthetisiert. Tierische Organismen verarbeiten es weiter zu Cholesterin, Steroidhormonen, Gallensäuren und Vitamin D3. Pflanzliche Analoga sind die Phytosterine, die als strukturstabilisierende Komponenten in Zellmembranen dienen. Das Wollwachs der Schafe enthält Lanosterin, das neben Cholesterin und anderen höhermolekularen Alkoholen die Herstellung von W/O-Emulsionen ermöglicht.
Boswelliasäuren (pentacyclische Triterpene): hemmen in Form ihrer Acetyl-Keto-Derivate Metalloproteinasen, die Kollagen abbauen. Auch das Enzym 5-Lipoxygenase, das Entzündungsmediatoren freisetzt, wird blockiert. Boswelliasäuren sind mittlerweile häufig in Hautpflegemitteln zu finden.
Betulinsäure (pentacyclische Tetraterpenhydroxycarbonsäure): ist der natürliche Abwehrstoff in der Platanen- und Birkenrinde gegen Einzeller und Pilze. Ähnlich wie mit Wollwachs, Phytosterinen und Gallensäuren kann man mittels Betulinsäure W/O-Emulsionen stabilisieren. Ein interessanter Aspekt der Säure ist ihre antikarzinogene Wirkung. Sie löst den gesteuerten Zelltod (Apoptose) von Melanomzellen aus.
Etherische Öle
Etherische Öle enthalten eine unübersehbare Anzahl unterschiedlicher Terpene. Diese kommen daher praktisch in jedem Parfümöl vor. Einige von ihnen zeigen ein allergisches Potenzial, was hinsichtlich der Kosmetikverordnung (KVO) zu einer Deklarationspflicht geführt hat. So müssen am Ende der INCI-Liste auf jedem Kosmetikproduktetikett die Namen der enthaltenen Allergene ergänzt werden. Dabei sind Konzentrationen von mehr als 0,001% in Präparaten, die auf der Haut verbleiben, und mehr als 0,01% in Präparaten, die wieder abgespült werden, deklarationspflichtig. Vielfach bilden sich Allergene erst durch Autoxidation (Oxidation mit Luftsauerstoff) der ursprünglich nicht allergenen Terpene, wie etwa Ascaridol, das im Teebaumöl durch Luftsauerstoff und Lichteinwirkung entsteht. Im Zusammenhang mit der Oxidation von Terpenen bei längerer oder falscher Lagerung stehen auch sogenannte Aromafehler bei Lebensmitteln und Gewürzen. So bekommt Orangensaft eine Terpennote, wenn D-Limonen zu Carvon oxidiert wird; die Oxidation vom Valencen zum Nootkaton (beides bicyclische Sesquiterpene) erzeugt eine Grapefruitnote. Viele Terpene unterscheiden sich bei gleicher chemischer Zusammensetzung lediglich durch ihren räumlichen Aufbau, manchmal sogar nur durch ihr Spiegelbild. So kommt z. B. Limonen in einer D- und einer dazu spiegelbildlichen L-Form vor. Die menschliche Nase ist so empfindlich, dass sie beide unterscheiden kann. D-Limonen wird als orangenartiger Duft (z. B. im Zitronenöl), L-Limonen (z. B. im Pfefferminzöl) wie Terpentinöl wahrgenommen. .
Die nachfolgende Übersicht enthält eine Auswahl typischer Monoterpene und in Klammern die Geruchsnote sowie Beispiele von etherischen Ölen, in denen sie vorkommen:
Nichtcyclische Monoterpene: Bei Geraniol (Geruch: blumig-rosenähnlich; Geranie, Rosenöl), Nerol (Geruch: rosenartig; Neroli-, Bergamotteöl), Linalool (Geruch: maiglöckchenähnlich; Lavendelöl) und Citronellol (Geruch: rosenartig; Rosenöl, Zitronenöl) handelt es sich um Terpenalkohole. Die Terpenaldehyde Citral A (Geranial), Citral B (Neral) riechen beide nach Zitrone und sind Bestandteile des Zitronen- und Lemongrasöls.
Monocyclische Monoterpene: Zu dieser Gruppe gehören p-Menthan (pfefferminzartiger Geruch; Eucalyptus globulus), Limonen (zitronenartiger Duft; Zitronenöl) und die Alkohole Menthol (kühler Minzgeruch; Minzöle), Terpineol (fliederartiger Duft; Wacholderöl) sowie der Ether Eucalyptol (1,8-Cineol; kampferartiger Geruch; Eukalyptusöl). Carvon (Kümmelöl) ist ein nach Kümmel riechendes Terpenketon.
Kampfer: ist der Prototyp eines bicyclischen Monoterpens. Er besitzt den typischen, kühlenden "Kampfer"-Geruch, ein Begriff, der sich auch zur Charakterisierung anderer Duftstoffe durchgesetzt hat. Kampfer ist im Öl des Kampferbaumes enthalten, der zu den Lorbeergewächsen gehört. Einreibungen und Salben nutzen seine reizende und anregende Wirkung auf die Mikrozirkulation bei Muskel- und Nervenschmerzen.
Ein monocyclischer Sesquiterpenalkohol ist das α-Bisabolol, der antimikrobielle Hauptwirkstoff der Kamille, der in kleinen Konzentrationen auch in anderen etherischen Ölen wie dem Bergamotteöl vorkommt.
Vitamine und Provitamine
Manche Vitamine und Provitamine besitzen ebenfalls eine Terpenstruktur:
ß-Karotin: Das sauerstoffempfindliche Tetraterpen (C40H56; E 160a) kommt in Karotten vor. Als Provitamin A wird es im Körper enzymatisch in zwei Vitamin A-Moleküle gespalten. Die Familie der Karotinoide besteht aus zahlreichen fettlöslichen Tetraterpenen, deren Farben von Rot über Orange bis Gelb variieren können. Sie dienen in Lebensmitteln und Kosmetika als farbgebende Zusätze. E 160c ist der Code für das dunkelrote Capsanthin (Paprikaextrakt), das beispielsweise als Futtermittelzusatz die Farbe des Eidotters intensiviert. Lycopin (E 160d) ist Bestandteil der roten Farbe von Tomaten und Hagebutten. Auch die sauerstoffhaltigen Xanthophylle wie das orangegelbe Lutein (E 161b) sind Tetraterpene, deren Farben von Gelb bis Violett reichen. Die Farben der Karotinoide entstehen durch ausgedehnte Systeme konjugierter Doppelbindungen, die andererseits auch die antioxidativen Eigenschaften vieler ihrer Vertreter bedingen. Daraus hat man unter anderem auf antikarzinogene und Anti-Aging-Wirkungen geschlossen, die in der Praxis nicht bestätigt werden konnten. Unter speziellen Rahmenbedingungen sind krebsauslösende Wirkungen beobachtet worden. Der Verzehr von Karotinoiden (Karotin, Lycopin) wirkt sich auf den Teint der Haut aus und kann individuell zu einem geringen Sonnenschutzfaktor von ca. 2-3 führen.
Vitamin A (Retinol): ist ein Diterpenalkohol (C20H30O), der im Lebertran und Eigelb vorkommt und in vielfältiger Weise den menschlichen Stoffwechsel beeinflusst. Man verwendet Vitamin A häufig in regenerationsfördernden Hautpflegemitteln, da es Zellwachstum und Kollagensynthese anregt. Bei höheren Konzentrationen und in Verbindung mit penetrationsfördernden Nanodispersionen kann man Vitamin A-säure-Effekte wie Hautrötungen und Irritationen beobachten. In der Regel kommt nicht das freie Vitamin A zum Einsatz, sondern seine Verbindung mit Palmitinsäure (Retinyl Palmitate), die in der Haut enzymatisch gespalten wird. Vitamin A ist sauerstoffempfindlich, weshalb es nicht am Tage bei praller Sonne verwendet werden sollte. Bei Schwangeren kann die orale Überdosierung fruchtschädigend wirken.
Vitamin A-Säure (Retinsäure, Tretinoin): Die Diterpensäure ist seit vielen Jahren in Hautpflegemitteln verboten und darf nur in dermatologischen Praxen unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden. Indikationen sind vor allem Akne und Hyperkeratosen. Wie beim Vitamin A ist die teratogene Wirkung bei der Überdosierung zu berücksichtigen. Isotretinoin (13-cis-Retinsäure) unterscheidet sich durch die räumlich andere cis-Stellung der Säuregruppe von Tretinoin (trans-Stellung). Die Indikationen sind im Wesentlichen die gleichen.
Verwandte Vitamine & Co
Die folgenden Naturstoffe besitzen zwar eine Gesamtkohlenstoffzahl, die gemäß der Terpenregel nicht durch 10 bzw. 5 teilbar ist; sie sind aber mit Terpenseitenketten ausgestattet:
Vitamin K1 (Phyllochinon; 2-Methyl-3-phytyl-naphthochinon): Die Phytylseitenkette entspricht einem Monoterpen mit 20 C-Atomen. Vitamin K2 kann dagegen unterschiedlich lange Terpenseitenketten haben. Verbindungen mit langer Seitenkette sind hinsichtlich ihrer Wirkung als Gerinnungsfaktor effektiver als kürzere. Vitamin K1 ist leider seit Ende 2009 gemäß KVO für den Einsatz in Kosmetika verboten. Anwendungsgebiete waren insbesondere die Pflege der Rosazea- und Couperosehaut. Das Vitamin stabilisiert bei topischer Anwendung hautnahe Gefäße und strafft die Haut.
Vitamin E (Tocopherol): besitzt eine Terpen-Seitenkette, die in einen Chromanring integriert ist, und gehört wie die Vitamine A, D und K zu den fettlöslichen Vitaminen. Seine antioxidativen, zellerneuernden und hautfeuchteerhaltenden Funktionen sind hinreichend bekannt. Das Vitamin wird in freier Form oder als Essigsäureester (Tocopheryl Acetate) eingesetzt.
Ubichinon (u. a. Coenzym Q10): Die Terpenseitenkette knüpft an einen 1,4-Benzochinonring an und enthält eine unterschiedlich lange Aneinanderreihung von Isopren-Einheiten. Die Angabe "10" ist der Hinweis auf 10 Isopren-Einheiten, d. h. es handelt sich um eine Pentaterpenseitenkette. Man setzt Coenzym Q10 vor allem bei älterer, atrophierter Haut zur Aktivierung des Fettstoffwechsels ein. Die Radikalfänger-Eigenschaft erhält das Molekül erst in der Haut nach seiner Reduktion zur 1,4-Hydrochinon-Struktur. Im Körper kommt Coenzym Q10 vor allem in den Mitochondrien vor.
Dr. Hans Lautenschläger |